Die Erholung der belgischen Wirtschaft kommt nur langsam in Gang, und bis zu 180 000 zeitweilige Arbeitslose könnten kurzfristig ihren Arbeitsplatz verlieren

Am Vorabend der ersten großen Phase der Lockerung der Eindämmungsmaßnahmen hat sich der durchschnittliche Umsatzverlust der belgischen Unternehmen laut der letzte Woche durchgeführten ERMG-Umfrage kaum leicht verbessert. Selbstverständlich ist es noch zu früh, die teilweise Erholung der Wirtschaft zu bewerten, doch weisen die Befragten weiterhin auf die schwache Nachfrage hin, die die Erholung bremst. In diesem Zusammenhang gaben die Unternehmen an, dass sie beabsichtigen, etwa jeden fünften der zeitweiligen Arbeitslosen zu entlassen. Dies bedeutet, dass bis zu 180 000 Arbeitnehmer ihren Arbeitsplatz verlieren könnten.

In der sechsten Woche in Folge wurde eine Umfrage von mehreren Unternehmens- und Selbständigenverbänden (insbesondere BECI, Boerenbond, UNIZO, UWE und VOKA für diese letzte Umfrage) durchgeführt, die von der BNB und vom VBO/FEB koordiniert wird. Ziel ist es, die Auswirkungen der Coronavirus-Krise auf die Wirtschaftstätigkeit in Belgien sowie auf die finanzielle Gesundheit und die Entscheidungen der belgischen Unternehmen Woche für Woche zu bewerten. Insgesamt haben 2 675 Unternehmen und Selbständige auf die Umfrage dieser Woche geantwortet[1]. Diesmal wurde die Umfrage am Dienstag gestartet, um die Auswirkungen der ab Montag, dem 4. Mai, eingeführten Lockerungen der Maßnahmen besser widerzuspiegeln.

Tabelle 1:    Den Unternehmensumsatz1

                    (in %, umsatzgewichteter Durchschnitt, aggregiert nach Wirtschaftszweig)

          

Umfrage
30. März

Umfrage
6. April

Umfrage
13. April

Umfrage
20. April

Umfrage
27. April

Umfrage
5. Mai

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Flämische Region

-33

-37

-34

-34

-33

-29

 

Region Brüssel-Hauptstadt

-29

-31

-26

-31

-28

-26

 

Wallonische Region

-34

-37

-34

-34

-33

-30

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Belgien

-33

-36

-33

-34

-32

-29

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Quellen: BECI, Boerenbond, FEB/VBO, NSS, UNIZO, UWE, VOKA, BNB.

1   Der Anteil der verschiedenen Wirtschaftszweigen in der Stichprobe ist von Region zu Region unterschiedlich. Für die Zwecke dieser Berechnung wird angenommen, dass sich die Auswirkungen der Krise nach Wirtschaftszweigen nicht regional unterscheiden. Die Werte können wegen später übermittelter Daten und der kontinuierlichen Verfeinerung der Datenanalyse geringfügig von denen in der vorherigen Publikation abweichen.

Der Unternehmensumsatz erholt sich nur langsam

Obwohl die Industrie und die Dienstleistungen für Unternehmen seit dem 4. Mai im Prinzip wieder voll funktionsfähig sind, hat sich der durchschnittliche Umsatzverlust der belgischen Unternehmen bisher nur leicht verbessert. Berücksichtigt man die Größe des Unternehmens und das Gewicht der Wirtschaftszweige bei der Wertschöpfung[2], so berichten die befragten Unternehmen von einem Umsatzrückgang von 29 % im Vergleich zur Situation vor der Krise. Dies ist erneut eine leichte Verbesserung im Vergleich zur Vorwoche, auch wenn die Erholung eindeutig Mühe hat, sich durchzusetzen. 

 

 

[1] Die Teilnahme einiger Verbänden, deren Mitglieder in einem bestimmten Wirtschaftszweig tätig sind, an der Umfrage kann zu Stichprobenfehlern führen. Tatsächlich könnten die Unternehmen eines bestimmten Wirtschaftszweigs in unserer Stichprobe stärker vertreten sein als in der belgischen Wirtschaft insgesamt. Eine Schichtung der Stichprobe nach Wirtschaftszweigen wurde daher nach dem Gewicht der Wertschöpfung in Belgien vorgenommen. Allerdings ist die Entwicklung über die Wochen mit Vorsicht zu interpretieren, da die Unternehmen, die die Umfrage ausfüllen, von Woche zu Woche unterschiedlich sein können.

[2]    Das Gewicht der Wertschöpfung im Immobiliensektor wurde korrigiert, um das Gewicht in der belgischen Wirtschaft der Unternehmen aus diesem Wirtschaftszweig, die an der Umfrage teilgenommen haben, besser darzustellen. Diese technische Korrektur wurde auch für die Ergebnisse der vergangenen Wochen vorgenommen. 

as also been made to the previous weeks’ results.  

Die Umfrage wurde in dieser Woche vom 5. Mai an durchgeführt, also kurz nach der oben erwähnten Lockerung der Schutzmaßnahmen am 4. Mai. Es könnte noch zu früh sein, um die volle Auswirkung dieser Lockerung in den Umfrageergebnissen zu erkennen, und es wird erwartet, dass der gemeldete Umsatzverlust in den kommenden Wochen weiter abnehmen wird. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass es trotz der schrittweisen Erholung der Wirtschaft sehr lange dauern kann, bis sich die Wirtschaft vollständig erholt hat: 60 % der befragten Unternehmen weisen auf eine unzureichende Nachfrage als Haupthindernis für diese Erholung hin.Die Schwäche der Verbesserung ist insbesondere auf eine kontrastierende Entwicklung auf der Ebene der Wirtschaftszweige zurückzuführen. Insbesondere in bestimmten Wirtschaftszweigen, wie dem Handel (vor allem dem Non-Food-Einzelhandel und dem Großhandel) und dem Baugewerbe, ist eine deutliche Verbesserung zu verzeichnen. Die in den letzten zwei Wochen eingeführten Lockerungen der Maßnahmen haben es einigen Unternehmen ermöglicht, wieder zu öffnen. Andererseits berichten einige Dienstleistungssektoren, wie z.B. der Immobiliensektor und der Informations- und Kommunikationssektor, über eine deutliche Verschlechterung ihres Umsatzes. Sogar der Umsatzrückgang in der Landwirtschaft scheint in dieser Woche etwas ausgeprägter zu sein, aber dieser Vergleich wird dadurch erschwert, dass Boerenbond an der hier erwähnten Umfrage teilgenommen hat, nicht aber an der Umfrage der Vorwoche, was die aktuellen Zahlen zuverlässiger macht.

Was die Liquiditätsprobleme betrifft, so ist der Anteil der befragten Unternehmen, die angeben, dass sie ihre Liquiditätsposition nicht über drei Monate hinaus aufrechterhalten können, leicht zurückgegangen: 29 % (gegenüber 35 % letzte Woche). Das Risiko eines Konkurses nimmt ebenfalls ab, bleibt aber relativ hoch und auf bestimmte Sektoren konzentriert. 7 Prozent der Unternehmen halten einen Konkurs für wahrscheinlich oder sehr wahrscheinlich, aber der Anteil steigt auf 28 Prozent bzw. 19 Prozent im Hotel- und Gaststättengewerbe sowie im Bereich „Kunst, Unterhaltung und Erholung“.

Jeder fünfte zeitweilige Arbeitslose könnte im Sommer seinen Arbeitsplatz verlieren

In der aktuellen Krisenphase hat sich das System der zeitweiligen Arbeitslosigkeit als wichtiger Stabilisator erwiesen: die zeitweilige Arbeitslosen erhalten zwar eine Entschädigung vom Staat, bleiben aber weiterhin in ihren Unternehmen beschäftigt. Dieses System ist jedoch per definitionem vorübergehender Natur. Aus diesem Grund untersucht die Umfrage auch die Absichten der Unternehmen, wenn dieses System beendet wird. Dies ist derzeit für Ende Juni geplant.

Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass sich diese Zahlen ausschließlich auf die Lohnempfänger beziehen. Die gesamten negativen Auswirkungen auf die Beschäftigung - und damit auf die Nachfrage - in den kommenden Monaten werden daher unterschätzt, da in den Zahlen nicht die Selbständigen berücksichtigt werden, die in dieser Woche auch den größten Umsatzverlust seit Beginn der Umfrage gemeldet haben und von denen einige gezwungen sein können, ihre Tätigkeit einzustellen. Da 9 % der Selbständigen das Konkursrisiko für wahrscheinlich oder sehr wahrscheinlich halten, kann der Effekt auf dieser Ebene erheblich sein: zur Information gab es Ende 2019 in Belgien 825 000 Selbständige.Die Antworten der befragten Unternehmen deuten darauf hin, dass die überwiegende Mehrheit der zeitweiligen Arbeitslosen wieder zu ihrem derzeitigen Arbeitgeber zurückkehren würde, wenn auch in gewissem Umfang über Telearbeit. Aufgrund der anhaltenden Krise und der wenig optimistischen Aussichten für die Nachfrage könnte dennoch etwa jeder fünfte zeitweilige Arbeitslose entlassen werden. Basierend auf der vom Landesamt für Arbeitsbeschaffung im März geschätzten Zahl der zeitweiligen Arbeitslosen von etwa 900 000 Fällen bedeutet dies, dass etwa 180 000 Arbeitnehmer in relativ kurzer Zeit ihren Arbeitsplatz verlieren könnten. Dies entspricht fast 6 % der Gesamtzahl der Beschäftigten im Privatsektor. Allerdings gibt es von Wirtschaftszweig zu Wirtschaftszweig Unterschiede, die für einige relativ ausgeprägt sind. Für die am stärksten betroffenen Wirtschaftszweige ist eine deutlich höhere Zahl von Arbeitsplatzverlusten zu befürchten: im Hotel- und Gaststättengewerbe würde dieser 17 % der Beschäftigtenzahl ausmachen (fast ein Viertel der Zahl der zeitweiligen Arbeitslosen) und im Wirtschaftszweig "Kunst, Unterhaltung und Erholung" würde dieser Anteil sogar auf 40 % steigen (fast die Hälfte der zeitweiligen Arbeitslosen).

Obwohl die automatischen Stabilisatoren und die bereits ergriffenen Maßnahmen die erste Welle des Schocks weitgehend kompensiert haben, könnte die Coronavirus-Krise infolge Konkursen gesunder Unternehmen oder eines anhaltenden Anstiegs der Arbeitslosigkeit strukturelle Schäden im Wirtschaftsgefüge verursachen. Das Ausmaß, in dem dies vermieden werden kann, wird ein entscheidender Faktor für die Stärke der Erholung sein, wenn die derzeitigen Schutzmaßnahmen aufgehoben werden.